Wasserkraftwerk giessen

Das Wasserkraftwerk Giessen bei Nesslau ist das älteste Wasserkraftwerk im Besitz der SAK. Schon seit 1896 turbiniert es das Wasser des Giessen an der Thur. Mit einer Jahresproduktion von heute rund 6 Mio. kWh elektrischer Energie deckt das Kraftwerk den Strombedarf von rund 1’330 Haushalten.

Seit 1914 ist das Wasserkraftwerk Giessen im Besitz der SAK. Im Zusammenhang mit der Modernisierung des Kraftwerks erwarben die SAK zum Erhalt von naturnahem Lebensraum die Parzelle «Aueli». Der SAK ist als Besitzerin des Kraftwerks Giessen ein schonender Umgang mit der Natur ein wichtiges Anliegen. Gemeinsam mit den örtlichen Forstdiensten wurde dieses Grundstück einer intensiven Bewirtschaftung und Düngung entzogen und nur noch extensiv genutzt. Durch den später erfolgten Schnitt können heute die Pflanzen bis zur Samenbildung wachsen und sich weiterverbreiten. Die so entstandene Flora beim Kraftwerk bildet heute die Nahrungsgrundlage zahlreicher Schmetterlinge, Hummeln und Bienen. Zu den weiteren ökologischen Massnahmen gehört auch das Einhalten von Mindestrestwassermengen in den Flussabschnitten zwischen Stauwehr und Maschinenhaus. Während ein Teil des Wassers zur Stromerzeugung den Turbinen zugeführt wird, wird ein anderer Teil direkt in den Fluss zurückgeleitet, um das Leben von Fischen und anderen Wasserlebewesen zu schützen.

Eine Augenweide: Der Wasserfall neben dem Maschinenhaus des Kraftwerks.

Die Technik im Kraftwerk Giessen

Der kombinierte Einsatz von zwei Turbinentypen erweist sich bei den unterschiedlich anfallenden Wassermengen als ideale Lösung – das Kraftwerk erreicht heute eine Jahresproduktion von rund 6 Mio. kWh. Bei der letzten Erneuerung im Jahre 2001 wurde das bestehende Zentralengebäude zur Montage einer zweiten Maschinengruppe um zwölf Meter erweitert. Eine neue Niederwasserturbine ergänzte die alte Kaplanturbine. Für das genutzte Gefälle von rund 23 Metern erwies sich die Anordnung von zwei Turbinen mit unterschiedlichen Ausbauwassermengen als äusserst vorteilhaft. Die gewählte Lösung mit zwei vertikalachsigen Kaplanturbinen erlaubt eine effiziente Stromproduktion selbst bei kleinen Wassermengen, da beide Maschinengruppen auch bei kleinen Leistungen noch betrieben werden können.

Technische Daten
 

Inbetriebnahme 1886
Technologie Laufkraftwerk
Installierte Leistung 1,8 MW
Jahresproduktion 6'000'000 kWh

Die Kaplanturbine

 

Mit ihren propellerförmigen, verstellbaren Flügeln gleicht sie einer Schiffsschraube. Die Regulierung der Leistung erfolgt durch Veränderung des Wasserzuflusses, indem Leit- und Laufradschaufeln verstellt werden. Die Kaplanturbine wird in Laufkraftwerken an wasserreichen Flüssen eingesetzt und vornehmlich für Fallhöhen bis 30 Meter verwendet. Dafür bietet die Thur im oberen Toggenburg gute Voraussetzungen.

Zertifizierte Stromproduktion

Das Kraftwerk Giessen wurde vom Verein für umweltgerechte Energie (VUE) mit dem Label «naturemade star» zertifiziert. Das Gütesiegel steht für Stromproduktionsanlagen, die 100 Prozent erneuerbare Energie produzieren, einen geringen Umweltbelastungswert aufweisen und über ein Umweltmanagementsystem zur Verbesserung der betrieblichen Umweltleistung verfügen. Darüber hinaus erfüllen «naturemade star» zertifizierte Anlagen sehr strenge ökologische Anforderungen – darunter globale Kriterien über den Lebenszyklus der Produktionsanlage und lokal-regionale Kriterien.

Weitere Informationen

Ansicht des Synchrongenerators mit einer Leistung von 1’050 kW.
Das Stauwehr des Kraftwerks Giessen.

Die Geschichte des Kraftwerks

Die Anfänge des Kraftwerks Giessen reichen bis ins vorletzte Jahrhundert zurück. Schon ab 1896 betrieb die Firma Kuhn und Grob ein Elektrizitätswerk am Giessen bei Nesslau. Ein erster Ausbau im Jahr 1904 liess bereits das Konzept eines modernen Pumpspeicherwerks erkennen. Der Toggenburger schrieb dazu am 21. Oktober 1904: «Das Elektrizitätswerk am Giessen-Tschoder erhält Verstärkung …». Eine sogenannte Hochdruckakkumulier-Anlage verwertete überschüssige Nachtenergie, indem sie das Thurwasser in ein 150 Meter über dem Maschinenhaus gelegenes Reservoir hinaufpumpte. Mittels einer Hochdruckturbine wurde dann damit in den Zeiten mit grösserem Strombedarf zusätzliche Energie erzeugt. Im Jahr 1908 kam zu den bestehenden 80-PS-Maschinengruppen ein 90-PS-Benzinmotor hinzu. Der zu diesem Zeitpunkt erzeugte Strom wurde nach Nesslau, Neu St. Johann, Ennetbühl und Stein geleitet. 1914 gingen die Produktionsanlagen am Giessen ins Eigentum der SAK über. Weitere Erneuerungen und Erweiterungen erfuhr das Kraftwerk in den Jahren 1921/22, 1960/61 sowie im Jahr 2001.

Für den Transporter der schweren Druckleitung wurden im unwegsamen Gelände Schienen eingesetzt.
Ein Teilstück der imposanten Druckleitung wird in Position gebracht.

Hintergrund zur Wasserkraft in der Schweiz

Die Elektrizität wurde um die vorletzte Jahrhundertwende in grossem Mass zu einer unverzichtbaren Energiequelle unserer Gesellschaft – genau zu dieser Zeit entstanden in der Schweiz auch die ersten Wasserkraftwerke. Die Gewinnung von elektrischer Energie aus Wasserkraft war damals die Lösung, den stetigen Bedarf nach Strom zu decken sowie um der Bevölkerung und Wirtschaft eine stabile Stromversorgung gewährleisten zu können.

Die umweltfreundliche und saubere Wasserkraft war bis in die 1970er Jahre nahezu die alleinige Energiequelle für die Stromproduktion in der Schweiz. Erst dann kam Elektrizität zunehmend aus anderen Quellen – vor allem Kernkraftwerken – hinzu. Um mit der stetigen Entwicklung Schritt zu halten, trat die SAK im Jahr 1928 der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG (NOK) bei. Dieser Verbund garantiert die sichere und zuverlässige Stromversorgung, da die eigenen Wasserkraftwerke den Gesamtbedarf an elektrischer Energie nicht mehr decken konnten. Sie leisten aber heute noch einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung.