Projekt ETH Fischleitrechen Herrentöbeli

Die ETH Zürich entwickelt zusammen mit der SAK einen innovativen Fischleitrechen zum bestmöglichen Schutz der Tiere beim Passieren von Kraftwerksanlagen. Die SAK stellt dabei ihr Kraftwerk Herrentöbeli als Pilot- und Demonstrationsanlage zur Verfügung. Das Projekt hat nationalen Vorbildcharakter. Denn ist das neue System erfolgreich, kann es schweizweit auch bei grösseren Kraftwerken eingesetzt werden, was eine erhebliche Verbesserung des Fischschutzes bedeutet. Aufgrund der grossen Bedeutung des Projekts für die Schweiz, wird das Projekt vom Bund unterstützt.

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Fischwanderhilfen wie Fischtreppen oder Fischabstiege ermöglichen Fischen an Kraftwerken vorbeizukommen. Im Pilotprojekt im Kraftwerk Herrentöbeli wird untersucht, wie sich die Fische vor einem Fischleitrechen verhalten und in ein Abstieg-System leiten lassen, um den gefährlichen Turbinen auszuweichen.

Im Gespräch mit der Journalistin Anita Vonmont erklärt Ralph Egeter, Leiter Projektentwicklung, wie das geht.

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Seit 2011 gilt in der Schweiz das neue Gewässerschutzgesetz, das Massnahmen zur Wiederherstellung der Fischwanderung in Schweizer Flüssen vorschreibt. Betreiber von Hindernissen, die diese Wanderung wesentlich beeinträchtigen, sind vom Bundesamt für Umwelt (BAfU) dazu verpflichtet, Sanierungen vorzunehmen. Seit über 100 Jahren werden Wasserkraftwerke und andere Fischwanderhindernisse mit Fischtreppen ausgerüstet. Während Fischtreppen primär der Passage stromaufwärts wandernder Fische dienen, haben sie sich in der Praxis nur selten für den Fischabstieg bewährt. An rund 1’000 Querbauten in der Schweiz müssen darum im Rahmen dieses neuen Gesetzes bauliche Massnahmen ergriffen werden, darunter auch an den Wasserkraftwerken der SAK. Das Gewässerschutzgesetz diente aber auch als Innovationstreiber zur Erforschung neuer Fischleitsysteme.

Ein innovativer Fischleitrechen

Im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts testete die ETH Zürich zusammen mit der Fish Consultung GmbH seit 2019 ein neues Fischleitrechen-Bypass-System im Versuchslabor der Versuchsanstalt für Wasserbau (VAW). Ziel des Projekts ist eine neue Lösung, um Fische flussabwärts um ein Wasserkraftwerk herum zu lotsen. Entstanden ist ein spezieller Fischleitrechen, der durch eine spezielle Krümmung der Stäbe starke Druck- und Geschwindigkeitsunterschiede im Wasser erzeugt. Die Fische erkennen das als Hindernis und schwimmen deshalb dem Rechen entlang – so gelangen sie schliesslich in das für sie vorgesehene Bypass-System. Gleichzeitig soll der neue Rechen auch den Fliessverlust für Kraftwerke – und somit die Beeinträchtigung ihrer Leistung – so gering wie möglich halten. 

Forschungsprojekt mit Vorbildcharakter

Nach den ersten erfolgreichen Labor-Tests ging das Forschungsprojekt in eine Live-Testphase. Hierbei arbeitet die ETH eng mit der SAK zusammen, denn ihr Kraftwerk Herrentöbeli an der Thur eignete sich aufgrund seiner überschaubaren Grösse und des dynamischen Abflussverhaltens hervorragend für den ersten Feldversuch. Zudem kann das neue Bypass-System sogleich in die geplanten Kraftwerkssanierungen miteingeplant werden. Der Pilotversuch am Kraftwerk Herrentöbeli hat schweizweiten Vorbildcharakter: Erweist sich das neue Bypass-System als erfolgreich, lässt es sich auch bei grösseren Kraftwerken realisieren – der Fischschutz würde somit landesweit erheblich verbessert werden. Aufgrund des grossen Potentials für den nationalen Einsatz des neuen Fischleitsystems für die Schweiz begleitet und unterstützt das Bundesamt für Umwelt (BAfU) das Forschungsprojekt.

Gemeinsame Weiterentwicklung

Die VAW stimmt sich bei ihren Untersuchungen beim Kraftwerk Herrentöbeli in Krummenau eng mit einer Begleitgruppe ab, die sich neben Mitgliedern des BAFU und des Kantons St. Gallen aus Vertretern des projektierenden Ingenieurbüros Wälli Ingenieure, eines Stahlwasserbau-Unternehmens (Fäh Maschinen- und Anlagenbau AG), eines Büros für Gewässer- und Fischökologie (Fischwerk) und der SAK zusammensetzt.

Die VAW hat zusammen mit ihrer Begleitgruppe verschiedene Ziele für den Feldtest definiert. In einem ersten Stritt wurden die Strömungsgeschwindigkeiten und die Topographie im Oberwasser des KW Herrentöbeli vermessen. Aus den Daten wurde anschliessend ein nummerisches 3D Modell des Oberwassers und des Kraftwerkkanals aufgebaut. Damit konnte die optimale Positionierung des Fischleitrechens im Rahmen einer Variantenstudie ermittelt und an der Optimierung der Stabform des Rechens, auch «Curved Bar Rack» (CBR) genannt, gearbeitet werden. Ebenso untersuchte die Forschungsgruppe den durch den Fischleitrechen entstandenen Fliessverlust und dessen Einfluss auf die Turbinenanströmung. Aus den gewonnenen Erkenntnissen erstellte die VAW einen hydraulisch optimierten Fischleitrechen, dessen Fischleiteffizienz sie in ihrer Versuchsanlage erneut testete. Als Letztes untersuchte die VAW auch das Verhalten des CBR bei erhöhtem Schwemmgutaufkommen. Diese Untersuchungen wurden im Rahmen der Vorprojektplanung im März 2021 abgeschlossen.

Der neue Fischrechen wurde in der Testanlage der VAW entwickelt und mit wilden Bachforellen getestet (Bild: ETH Zürich/VAW).

Startschuss für die Kraftwerkssanierung

Im Oktober 2021 startete die SAK mit dem Umbau des Kraftwerks Herrentöbeli. Zur Verbesserung der Fischwanderung wird der Einlaufkanal umgebaut und mit dem neuen CBR-Rechen ausgerüstet. Das neue Bypass-System verbaut die SAK zwischen Mündung und Wehr. Die Bauarbeiten werden voraussichtlich im Mai 2022 abgeschlossen sein

Einbau des innovativen Fischleitrechens

Mitte Mai 2022 wurde der Einlaufschütz bei der Pilotanlage eingebaut und hat damit die Abschlussphase der Sanierungsarbeiten eingeläutet.